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Eine kleine Kirche in der südlichen Hemisphäre unter blauem Himmel.

Wie religiöse Gemeinschaften in Deutschland das Hinweisgeber­schutzgesetz umsetzen müssen

Das Hinweisgeberschutzgesetz und Kirche - ein Thema, das bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit erlangt hat. Vermutlich deshalb, weil außer den religösen Gemeinschaften, die zur Umsetzung genauso vepflichtet sind wie Unternehmen und die öffentliche Hand, die meisten Dienstleister rund um das HinSchG auf leichtere Kunden zielen, als die katholische und evangelische Kirche sowie die weiteren religiöse Gruppen in Deutschland.

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das 02. Juli 2023 in Kraft getreten ist, verpflichtet allgemein Beschäftigungsgeber jenseits der 49 Mitarbeitenden dazu, eine Meldestelle für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber einzurichten, die im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit Misstände bei einem Beschäftigungsgeber entdeckt haben und diese mit ausreichendem arbeitsrechtlichen Schutz melden wollen. Dabei hat das Gesetz auch Auswirkungen auf religiöse Gemeinschaften in der Bundesrepublik.

Das Ziel des Gesetzes ist es, Whistleblowerinnen und Whistleblower zu schützen, die auf Missstände in ihrem Unternehmen hinweisen. Religiöse Gemeinschaften sind nicht von diesen Missständen ausgenommen und müssen daher ebenfalls Maßnahmen ergreifen, um den Schutz von Hinweisgebern zu gewährleisten.

Aber was sind Missstände, die ein entsprechendes Schutzniveau nach sich ziehen? Hierzu zählen alle Verstöße gegen geltendes nationales Recht, welche mit einem Bußgeld belegt sind oder als Straftat zu werten sind.

In den folgenden Abschnitten werden wir uns genauer mit dem Hinweisgeberschutzgesetz und seiner Umsetzung in der Kirche auseinandersetzen. Wir werden diskutieren, wie die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat bei der Umsetzung des Gesetzes aussieht, welche Anforderungen das Gesetz an karitative Einrichtungen der Kirche stellt und welche Rolle die Kirchengemeinden bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes spielen. Wir werden auch die Herausforderungen bei der Umsetzung des Gesetzes ansprechen und diskutieren, welche Bedeutung das Gesetz für religiöse Gemeinschaften hat.

Das Hinweis­schutzgesetz und seine Auswirkungen auf religiöse Gemeinschaften

Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet, wie bereits im ersten Abschnitt beleuchtet, Unternehmen und Organisationen dazu, interne Hinweisgeberkanäle und Meldestellen einzurichten, um Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, Missstände in ihrem eigenen Betrieb aufdecken und melden zu können. Auch religiöse Gemeinschaften in Deutschland sind von dieser Regelung betroffen und müssen Maßnahmen ergreifen, um das Gesetz umzusetzen.

Allerdings regelt der Gesetzgeber hier erstaunlicherweise anders als für private Beschäftigungsgeber und die öffentliche Hand. So haben private Unternehmen die Möglichkeit, sofern sie in der Regel zwischen 50-249 Mitarbeitende beschäftigen, gemeinsame Meldestellen zu bilden, also eine Art Shared Service Center zu etablieren, das alle eingehenden Fälle für die unterschiedlichen beteiligten Gesellschaften entgegennimmt. Die öffentliche Hand wiederum hat die Option, je nach Körperschaft und teilweise über noch zu schaffendes Landesrecht gedeckt, ebenfalls gemeinsame Meldestellen für Kommunen und Weitere einzurichten. Den Kirchen bleibt dies verwehrt.

So hatte bereits die EKD und das Kommissariat der deutschen Bischöfe am 11.05.2022 in einer gemeinsamen Stellungnahme zum damaligen Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass Kirchen oder Religionsgemeinschaften im Allgemeinen keine Möglichkeit bekommen, die Verantwortung zu teilen, die das Gesetz mit sich bringt.

Was regelt das Hinweisgeber­schutzgesetz gegenüber den Kirchen und Religions­gemeinschaften?

Nimmt man § 14 Abs. 2 HinSchG zum Anlass, welcher ausdrücklich nur privaten Beschäftigungsgebern mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten den Betrieb einer gemeinsamen Meldestelle ermöglicht und dies in Verbindung mit §12 setzt, welcher keine Ausnahmen für Religionsgemeinschaften bzw. Kirchen vorsieht, muss man davon ausgehen, dass jeder Rechtsträger mit 50 und mehr Mitarbeitenden eine eigene Meldestelle nach HinSchG zu betrieben hat. Als Rechtsträger im öffentlichen Recht gilt jede Kirchengemeinde, die im Rahmen der kirchlichen Selbstverwaltung einer übergeordneten Instanz zuzurechnen ist. Beispielsweise die Kirchengemeinden in einem katholischen Bistum.

Es ist also davon auszugehen, dass jeder Rechtsträger eine eigene Meldestelle betreiben muss, wenn er über 50 Beschäftige hat. Diese Zahl ist bei dem Betrieb von Kindergärten, Altenpflegeeinrichtungen oder sonstigen karitativen Einrichtungen sehr schnell erreicht. Zwar lässt der Gesetzgeber hier, wie bei allen anderen Betroffenen, die Möglichkeit, den Betrieb der Meldestelle gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 an einen Dritten (externen Dienstleister) auszulagern, eine Zusammenführung mehrerer Meldestellen ist durch das ausbleiben der expliziten Nennung von religiösen Gemeinschaften im Kreis derer, die gemeinsame Meldestellen bilden dürfen jedoch ausgeschlossen. In §14 Abs. 2 HinSchG ist ausschließlich von privaten Beschäftigungsgebern die Rede.

Die EKD und die deutschen Bischöfe schreiben dazu:

"Zu § 12 HinSchG-E – Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen Nach § 3 Absatz 9 HinSchG-E wird der Kreis der von dem Gesetz erfassten Beschäftigungsgeber weit gefasst. Zu den Beschäftigungsgebern zählen unter anderem juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. Dabei wird in der Begründung ausdrücklich klargestellt, dass auch die als Körperschaften öffentlichen Rechts verfasste evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden von dem Begriff umfasst werden (siehe Seite 71 der Entwurfsbegründung).

Der Entwurf lässt aber dann die kirchlichen Strukturen – insbesondere im Hinblick auf die öffentlich-rechtlich verfassten kirchlichen Einrichtungen – unberücksichtigt. So sieht der Entwurf in § 12 Absatz 1 Satz 2 HinSchG-E vor, dass, sofern Bund oder Länder als juristische Personen des öffentlichen Rechts Beschäftigungsgeber sind, die obersten Bundes- oder Landesbehörden Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Behörden, Verwaltungsstellen, Betrieben oder Gerichte bestimmen, die interne Meldestellen einrichten und betreiben. Durch diese flexible Regelung kann – so führen es die Entwurfsverfasser in der Begründung aus – je nach Verwaltungs- und Organisationsstrukturen eine passgenaue Lösung gefunden werden, die eine niedrigschwellige Erreichbarkeit einer internen Meldestelle gewährleistet, ohne ineffiziente und zu kleinteilige Strukturen zu schaffen.

Eine solche Möglichkeit sieht der Entwurf bisher für die öffentlich-rechtlich verfassten Kirchen nicht vor. Dabei ist das kirchliche Selbstorganisationsrecht gemäß Artikel 140 GG iVm Artikel 137 Absatz 3 WRV als Bestandteil des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auch verfassungsrechtlich gewährleistet (s. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, Rn. 90: Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht „erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (vgl. BVerfGE 53,366 (401)“). Die Kirchen bedürfen zudem auch einer solchen flexiblen Lösung, wie sie Bund und Ländern beziehungsweise über das Landesrecht den Gemeinden und Gemeindeverbänden ermöglicht wird. So ist nicht nur die Diözese oder Landeskirche als Körperschaft öffentlichen Rechts Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Auch die als Körperschaft öffentlichen Rechts verfassten Kirchengemeinden haben mitunter mindestens 50 Beschäftigte, etwa wenn sich Kirchengemeinden zu größeren Einheiten zusammengeschlossen haben und/oder sie Träger von Kindergärten, Altenheimen oder ähnlichen kirchlichen Einrichtungen sind. In diesen Fällen muss es den Kirchen – wie Bund, Ländern und Gemeinden – ebenfalls möglich sein, eine niedrigschwellig erreichbare, interne Meldestelle zu errichten, ohne ineffiziente und zu kleinteilige Strukturen zu schaffen. Der derzeitige Entwurf benachteiligt vor diesem Hintergrund auch die öffentlich rechtlich verfassten kirchlichen Einrichtungen, da privatrechtlich verfasste Einrichtungen, sofern sie private Beschäftigungsgeber nach § 3 Absatz 10 HinSchG-E sind, sich nach Maßgabe des § 14 Absatz 2 HinSchG-E für das Betreiben einer internen Meldestelle zusammenschließen und so ressourcenschonend agieren können.

Wir bitten daher ausdrücklich darum, auch den öffentlich- rechtlich verfassten Kirchen die Möglichkeit einzuräumen, Organisationseinheiten zu bilden.

§ 12 Absatz 1 HinSchG-E ist daher um folgenden Satz zu ergänzen:

„Sind öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften Beschäftigungsgeber, bestimmen diese Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Stellen“.

In der Konsequenz heißt das zunächst, dass jede einzelne Kirchengemeinde oder andere öffentlich-rechtliche Gliederung dezidierte Meldestellen für jede einzelne Gemeinde aufstellen muss, die als Beschäftigungsgeber anzusehen ist.

Probleme des HinSchG für Kirchen

Geht man aber davon aus, dass Kirchen sich selbst organisieren und dazu von Seiten des Grundgesetzes auch ein Recht haben, ist es damit aber zunächst schwer vorstellbar, wie die Umsetzung des HinSchG in der kirchlich-organisationalen Praxis abbildbar sein soll. Wenn jede Kirchengemeinde eine eigene Meldestelle aufzubauen hat, benötigt auch jede einzele Gemeinde mindestens eine Person, die als Meldestellenverantwortliche auftritt und auch fachkundig geschult ist, wie dies das Hinweisgeberschutzgesetz vorschreibt.

Herausfordernd ist hier, dass Meldungen sauber eingeordnet und verarbeitet werden, um auch falsche von echten Fällen unterscheiden zu können. Ob und überhaupt diese Expertise auf lokaler Ebene aufgebaut werden kann, ist noch vollkommen offen.

Auf übergeordneter Ebene, beispielsweise auf der Ebene eines katholischen Bistums, ist man damit nicht in der Lage eine zentrale Investigations Unit zu diesem Thema zu bilden und den Kirchengemeinden die herausfordernde Arbeit der Stichhaltigkeitsprüfung und der Ableitung von Folgemaßnahmen abzunehmen. Allerdings steht den Gemeinden offen, den Betrieb an einen externen Dienstleister abzugeben. Bei der Abgabe wären aber Verträge auf besagter Bistumsebene mit Zutrittsmöglichkeit für die einzelnen Rechtsträger denkbar, sodass ein Bistum bzw. eine Diözese zentral Konditionen verhandeln könnte.

In der Praxis muss aber jeder Gemeinde sicherstellen, dass der Meldebetrieb innerhalb des eigenen Rechtsträgers abläuft.

Praxis vs. Gesetz

In der Praxis wird sich aber aller Voraussicht nach durchsetzen, dass übergeordnete Instanzen hier für die einzelnen Gemeinden viel abnehmen werden und sich auf das Selbstbestimmungsrecht bzw. das Selbstorganisationsrecht der religiösen Gemeinschaften berufen werden. Jedoch geht damit, wie oben beschrieben, eine gewisse Rechtsunsicherheit einher, die sich vermutlich erst im Laufe der kommenden Jahre durch neue gesetzgeberische Impulse oder richterliches Recht sukzessive auflösen wird.

Die Bedeutung der Informations­freigabe in der Kirche

Eine weitere Herausforderung für die Kirche im Hinweisgeberschutz ist das Verhältnis zwischen der Informationsfreiheit und dem Schutz personenbezogener Daten. Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet die Kirche dazu, mögliche Missstände aufzudecken und zu melden. Gleichzeitig muss die Kirche aber sicherstellen, dass die personenbezogenen Daten der betroffenen Personen geschützt werden und dies alles in Einklang mit ihren geltenden internen und weltlichen Regelungen zum Datenschutz bringen. Es gilt daher, ein Gleichgewicht zwischen der Informationsfreiheit und dem Datenschutz zu schaffen. Die Kirche ist dazu verpflichtet, die betroffenen Personen über eine mögliche Meldung zu informieren und sie darüber aufzuklären, welche Daten wie lange gespeichert werden.

Die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen

Ein weiterer wichtiger rechtlicher Aspekt des Hinweisgeberschutzes in der Kirche ist die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen. Die Kirche ist verpflichtet, bei möglichen Straftaten mit den staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten und sie bei der Aufklärung zu unterstützen.

Dabei spielt auch die Meldestelle eine wichtige Rolle. Die Meldestelle muss sicherstellen, dass die Meldungen an die richtigen Stellen weitergeleitet werden und die betroffenen Personen geschützt werden.

Insgesamt gilt es, die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes innerhalb der Kirche im Einklang mit dem Selbstbestimmungsrecht und den Vorschriften des Gesetzes zu gestalten. Dabei ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen der Informationsfreiheit und dem Datenschutz zu schaffen und eng mit den staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten.

Fazit

Religiöse Gemeinschaften müssen das Hinweisgeberschutzgesetz ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen, um es umzusetzen. Es ist wichtig, dass die Mitglieder der Gemeinschaften wissen, dass sie Missstände ohne Angst vor Repressalien melden können und dass die Meldestelle unabhängig arbeitet. Nur so kann das Ziel des Gesetzes erreicht werden.

Die Umsetzung des Gesetzes erfordert eine Anpassung bestehender Strukturen und die die Einrichtung von Meldestellen sowie die Schulung von Mitarbeitern und Mitgliedern.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz der Kirche nicht ihre Eigenständigkeit nimmt. Vielmehr zielt es darauf ab, die Transparenz und Rechenschaftspflicht innerhalb der Kirche zu erhöhen und sicherzustellen, dass Gesetzesübertritte und Diskriminierung effektiv und angemessen behandelt werden. Die Probleme bzw. Spannungen der aktuellen gesetzlichen Lage machen die Umsetzung aber nicht besonders einfach.

Letztendlich müssen die Kirchengemeinden sicherstellen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz in Übereinstimmung mit den spezifischen Glaubenspraktiken und Werten der Kirche umgesetzt wird. Es ist wichtig, dass die Kirchengemeinden ihre Selbstbestimmung wahren und gleichzeitig sicherstellen, dass Whistleblower vor beruflichen Nachteilen und Diskriminierung geschützt werden. Insgesamt trägt das Hinweisgeberschutzgesetz dazu bei, Vertrauen und Transparenz in religiösen Gemeinschaften zu schaffen und den Schutz von Hinweisgebern zu gewährleisten.